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Über Poetizität

Noch nach Stunden zurück aus der Erzählung frage ich mich manchmal, ob die Analogie vom Unbewussten des Textes zutrifft: als das also an Gehalten, an die auch der Autor nicht reicht.

Wenn ich das Meiste all dieser Schichten durchdringe um sie ausdrücklich zu organisieren, wird dann ihr Gewebe in seinen intentionalen Anteilen lichter oder wird die Arbeit daran unweigerlich zerstörerisch? Bleibt in jedem Fall ein Rest? Tritt es eh erst hervor in Verbindung mit einem weiteren Unbewussten, dem des eigensinnigen oder unwilligen oder streunerischen Lesers? (Den außer an Gedanken und Schönheit noch ein Weiteres an Übertragung als sein a priori Eigenes erreicht?)

Baut sich gar ein Unbewusstes zweiter Ordnung auf? (Immer wieder wird gefordert, man solle zeigen statt erklären … und dann wird etwas doch nicht oder es wird etwas anderes gesehen. Obwohl auch das Zeigen längst immer öfter irgendwelchen Konventionen folgt, und ein Erklären, das das hinter sich gelassene Zeigen hin und zurück-durchdenkt wenn nicht ergiebiger zumindest eindeutiger ist. (Wenn auch, als zu befolgende Anstrengung, zumutender für den Leser.)

Manchmal, entsprechend vertieft, fallen mir jäh die auch im Gelungenen längst für sich arbeitenden gestalterischen Mechanismen auf … und wie sie, ihr Klappern, gerade im Unbewussten erst wieder hinter mich gebracht werden können.

Aber der Text, der sich darin verliert, seine referenziellen Aspekte vollständig aufzuheben, ist ja kein (herkömmlicher) Text mehr (als Akt „kommunikativer Intelligenz“), sondern wird zu einer Kategorie an Hermetik, an Klein-Kabbala, an (oft gar nicht „notwendiger“) Poesie, und genau das scheint mir immer öfter seinerseits etwas verjährt und geht für mich oft zu sehr in Richtung Re-Mystifizierung. (Das Ausstellen der eigenen Inspiration zum Nachteil eines sauberen Handwerks der Erzählung.)

Und außerdem ist heute „Poesie“, zumal in ihrem Überhandnehmen (zumindest aus dem Blickwinkel ihrer kritischen Liebhaber), oft genug eine Kunst-Konvention, eine, die ihrerseits nichts mehr als sich selber erfüllt, nämlich so lange an einer kleinen Wort-/Sinnfeldverteilung zu drehen, bis es verblüfft. Und oft geht das doch hin zu minderen Effekte, wenn nicht in Richtung Zirkus. (Ein seit Jahren ein gehörter appellativer Einspruch: „Jedes Gedicht hat Amts-Charakter“; Oswald Wiener.)

Klar, auch ich will nicht dauernd etwas mitgeteilt bekommen. Aber wird so gar nichts mitgeteilt, ist es eben auch oft nur mehr Geklingel. Bloße Text-Effekte aber, wenn sie nicht entweder etwas als Ästhetikgewinn oder im Denken Äquivalentes hervorbringen, sind nur hübsch und gehören eigentlich eher in die Kategorie Unterhaltung. (Ja, ich weiß, ohne die wir heute auch nicht mehr wollen / können / sollen … Bitte schalten Sie um!)

Anscheinend muss wohl jeder Text seine eigene Mechanik finden (und die Schmiermittel für das gerade noch zulässige Geklapper dessen, was ihn außer seiner poetischen Absichten auch noch bewegt).

So weit war ich, als ich wieder auf eine Herausforderung, ein Unverstandenes bei mir selber stieß … dass es mich entzückte! Anscheinend (ge-)leitet ein Text am besten und vor allem erst mal durch Eigensinn – auch seinen Autor. Dann muss sich zeigen, wer wen besser unterwirft. Oder besser nicht.

Denn: Ist das Wahrsprechen des Unbewussten am Ende womöglich auch nur Effekt, als eben dessen Gelingen? Sein oft ja nur ungefähres, über die eigenen Mechanismen nicht aufgeklärtes? Ähnlich wie die immer noch gern nachgefragte Authentizität, wie Wahrheit alles Effekte sind?

Das Problem in einem Satz: Fühlt es sich (nicht) richtig für Dich an, wenn es sich (nicht) richtig für mich anfühlt?

Manchmal die Bangigkeit in dem Gedanken, es bliebe am Ende als Ausweg vielleicht doch nur Musik …

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Ich frage mich gerade ernsthaft, ob so etwas nicht eine Möglichkeit wäre, den ob der schieren Quantität darauf auch darauf abgestellten – und in dieser Hinsicht also zwangsläufig unterkomplexen – Überwachern zu begegnen: Indem man den Code sozusagen immer höher elaboriert – Verschlüsselung durch ausschließlich poetisch zu verarbeitenden Sinn.

Gegen solche nach Informationsverdichtung höchstentwickelte Kommunikation hülfe dann auch „Big Data“ nicht. Zumindest wenn die Muster die Bewegung des Codes mitvollzögen. Und womöglich erreichte sogar den einen oder anderen der De-Codierer ein ihn über das Erwartete weit hinaus erhellender Gedanke?

(Da könnte man es sich sogar leisten, sekundäre Anleitungen gleich mitzuliefern.)

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